Süße 1-Outer und noch mehr Schokolade
„Neulich habe ich Deine süße Groß-Cousine Julia kennengelernt. Die arbeitet doch in Konstanz in dem Saunaclub?!“
Julia? Saunaclub? Bitte?! Eigentlich bin ich ja das etwas dunkler gefärbte Schaf in unserer Familie, zumindest habe ich mir den Platz mühsam ergrast. Verwirrt schaue ich den Schweizer an und überlege was er wohl von Julia noch so alles kennt.
„Nein, nein. Das ist nicht so wie Du denkst.“ Also ausgerechnet DER Satz kommt mir auch irgendwie bekannt vor und beruhigt mich keinesfalls. Aber der Schweizer ist nett, wohlerzogen, gutaussehend und sicherlich eine Bereicherung für unsere ohnehin schon große Familie. Ein paar Tage später habe ich dann auch die Gelegenheit diese Sache persönlich nachzufragen, denn einer der zahlreichen Brüder meines Vaters feiert seinen 75. Geburtstag.
Noch vor einigen Jahren waren diese Familientreffen die Party-Highlights des Jahres – keine einzige wurde freiwillig versäumt – es wurde gefeiert das die Balken krachten, die geschlechtsreifen Mädchen der Familie mit wichtigen Geschäftspartnern gewinnbringend durchverheiratet und andere wichtige oder unwichtige Angelegenheiten ausgibig besprochen. Pokern eben.
Mittlerweile haben die Thater-Brothers ein wenig nachgelassen. Nicht weniger trink-und feierfreudig als früher aber leider durch den Zahn der Zeit etwas gehandicapt. Mein Vater ist jetzt 71 und das zweitjüngste Kind. Es mangelt momentan sowieso an männlichem Nachwuchs in unserer Familie – der Schweizer kommt wahrscheinlich gerade recht.
Bevor es jedoch zur Familienfeier nach Bad Segeberg in das Vitalia-Seehotel ging hab ich noch ein wenig Poker gespielt. Zugegeben, wenig war es nicht gerade, denn Jan & ich waren eine ganze Woche in Baden bei Wien im Casino Austria zum Poker-Marathon. Hier habe ich ja vor 8 Jahren meine erste Pokerhand gespielt und es ist nach wie vor mein Lieblingscasino in Europa. Nicht nur weil Edgar Struchly und sein Team uns die Tage sehr gut betreut haben und das „Drumherum“ einfach passt, sondern auch weil die Cashgames einfach einmalig gut & yummie sind.
Als erstes stand das EPT-Turnier an. Durch das mittlerweile sehr hohe Buy-in hatte sich das Starterfeld deutlich zum Vorjahr reduziert. Es gab auch nur einen Starttag Day1 und das gesamte Feld von ca. 275 Teilnehmern spielte demnach von Anfang an zusammen. Da sich das PokerStars-Team ja durch ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl auszeichnet, sitzen Noah Boeken, Andre Akkari und ich gemeinschaftlich wie die Hühner auf der Stange an Table No.1. Die Auslosung der Plätze ist random und unsere Marketing-Chefin kommt einem mittleren Herzinfarkt ziemlich nahe. Sie hofft, dass wir uns nicht absichtlich gegenseitig aus dem Turnier zu werfen. Noah macht trotzdem ziemlich dicke Welle und ist in fast jeder Hand zu finden. Nachdem er mich erfolgreich aus einem übersichtlichen Pot geblufft hat lasse ich ihn ca. 1 Std später vor meinen angewärmten Schrubber laufen. Er holt sich ne ziemlich große Beule und ich lasse ihn mit 4K Chips für den Spieltag zurück.
Den zweiten Tag gibt es einen Re-Draw und ich sitze mit genau Average Chips direkt links von Age Spets. Age ist ein lustiger Norweger mit dem ich schon in Warschau einige Zeit am Tisch und an der Bar verbracht habe. Der kriegt es fertig Mads Andersen mit dem Spruch:“ Hey man, I dont know you – but you are weak and giving to many tells away!“ aus dem Turnier zu werfen. Mit AQ gegen KK bei Mads.
Sofort in der ersten Hand geraten wir aneinander. Alle passen bis zu uns und er ergänzt seinen SmallBlind zu mir. Ich sitze im BigBlind mit KTo und checke. Der Flop kommt K T 5 . Er checkt zu mir, ich überlege ebenfalls zu checken und erst auf dem Turn um die Ecke zu kommen, bette dann aber doch etwas mehr als den Pot. Er zahlt sowieso, warum also an Chips sparen? Wir sind ja schließlich nicht bei Edeka.
Turn A.
Prima, denke ich, jetzt hat er endlich was getroffen und ich krieg ne schöne Auszahlung mit Kings-up. Er setzt, wie gedacht, ich raise ihn für seinen Rest (ca. 4K) All-in. Er hat wirklich das A und damit auch nur dieses eine Paar, mit dem River allerdings macht er Runner-Runner Flush.
Ich doppel ihn also ab und bleibe mit ca. 10k zurück, von denen ich mich auch nicht wirklich erhole. Wir werden gemoved. Da ich ja ab & zu von meinem tighten Image profitieren kann mache ich in einem günstigen Moment ein Squeeze-Play wie aus dem IntelliPoker-Lehrbuch. Blinds sind 300/600 und 75 Ante. Limp, limp, Min-Raise, call. Jetzt sitz ich da mit 12k Chips auf dem Button und packe die Gelegenheit mit T2s beim Schopf. Alle werfen brav weg bis auf den Min-Raise-Caller. Der schaut und schaut und schaut in seine Karten, stöhnt und schiebt dann ebenfalls seinen Rest rein. Es gibt den unvermeidlichen Showdown und ich frage noch mal beim Dealer verschmitzt nach ob ich denn meinen Dreck unbedingt herzeigen muss. Ich muss.
Fast alle schauen verwundert. Ah, sowas macht sie also auch noch. Es wird gegrinst und auf den Tisch geklopft. „Nice Hand, Mrs. Thater.“ Beim Pokern ist ja fast alles erlaubt, nur eins geht ganz sicher oft in die Hose: Schlechte Calls. Mein Gegner zeigt A6o. Was zum Henker hat er gedacht welche Karte er damit schlagen kann? Wie auch immer – ich rausche einmal rein und wieder raus aus seinen Stack.
Da ich anscheinend nur den Müll gut bedienen kann scheide ich spät als 66. im EPT Baden aus. Gleiches wiederfährt mir im Baden Open. Da waren es dann Asse und ich bekomme die ganzen Chips meines Gegners über die Linie. Der sucht nämlich HU nach meinem Preflop Super-Raise (Hallo!!!! TatüTata) auf einem Q 5 6 mit 2 Pik eine kleine Straße. Nach unten natürlich und ohne Pik – das braucht man ja auch gar nicht, auch nicht für all seine Chips. Nachdem die Kohle im Pot ist liefert der Dealer auch umgehend aus. Danach verliere ich noch einen Klassiker und kann endlich an die Cashgame Tische zu Cincinnati Kid.
PLO ist eines der beliebtesten Cashgame Spiele der heutigen Zeit. Sehr erfrischend, null langweilig wie z.B. NLHE, deutlich unberechenbarer und es tummeln sich vom reichen Zahnarzt bis hin zu „Free-Willi“ Menschen sämtlicher Couleur. Mitten drin Cincinnati Kid.
„Mein Kind, darf ich Dich zum Champagner einladen?“ Er darf.
Unser Tisch ist laut, wild und mit Geld gepflastert. Die Action & die Pötte sind so groß, dass die Zuschauer Zweierreihen bilden müssen um ja nichts zu versäumen. Die Stammbesetzung sind Florian Langmann, Jan Jachtmann, o.g. Cowboy, Minh und ich. Alle anderen werden nach und nach durchverarztet. Viele verlassen schüttelnden Hauptes die Runde nach wenigen Minuten. Jan Jachtmann und ich machen wie üblich unsere Scherze, dass sich die Leute vor Lachen biegen. Zwischendurch wandern Pötte mit 12K und mehr von einer Tischseite zur anderen. In jedem ist Cincinnati Kid zu finden und in fast jedem trifft er die abenteuerlichsten 1 und 2 Outer.
Die Warteliste glüht.
Spät nach Mitternacht kommt Martin Wendt und bietet mir 2K für meinen Platz an oder noch besser: „Katja, geh Du ins Bett und ich spiel weite
r und wir machen halbe/halbe.“
Ich muss wirklich ins Bett, da ich wie immer Termine am nächsten Morgen habe, bei denen ich besser ausgeschlafen, wohlriechend und gekämmt erscheinen sollte.
Irgendwas preußisch-akkurates lebt in mir und um 3h nachts überlasse ich leider allen anderen ihrem Schicksal und wandere in Richtung Hotelbett.
Am nächsten Morgen höre ich natürlich, dass Cincinnati Kid dann alles abgegeben hat. Und zwar restlos. Zusätzlich hat er seine Tasche noch bemühen müssen. Ich würde schätzen, dass er in seinem Stack ungefähr einen schönen deutschen Oberklassewagen bewegt hat. Mit Sonderausstattung.
Das 7-Card-Stud Turnier liegt am Ende der Woche. Durch Terminüberschreitungen mit einem WPT in Barcelona und der Tatsache, dass diese Variante nicht (mehr) so beliebt ist, reisen viele vorzeitig ab. Der Boot-Camp Charakter des ganzen Events geht dadurch leider ein wenig verloren und zur Europameisterschaft finden sich noch ganze 156 Spieler ein.
Viele Dänen, Österreicher, Schweizer und Deutsche. Toughes Feld. Der Altersdurchschnitt wird zwar nicht ausschließlich von mir deutlich angehoben, man merkt aber, da sitzen die ganz ausgefuchsten alten Hasen. Bereits am ersten Tag spiele ich ziemlich aggressiv, die Struktur ist schneller als angekündigt und ich will entweder richtig viel Chips oder aber zum Geburtstag nach Bad Segeberg. Ich komme am Freitag in den 2. Tag mit dem „worse case“. Genau das wollte ich nicht: Unter Durchschnitt Chips und nochmal antreten. Dabei habe ich alles erdenklich versucht. Im „Ladies-Event-Final-Table-Stil“ raise ich alles was kommt – keiner zahlt und ich kann nur kleine Pötte gewinnen.
Dramen spielen sich natürlich auch wieder ab. Nicht nur bei mir. Am Nachbartisch fliegt Michi Keiners I-Pot krachend in die Ecke. Er wird Opfer einer Ahnungslosen und muss seinen Stuhl räumen. Poker macht Spaß und dient ja auch zur geistigen und körperlichen Ertüchtigung.
Um fünf guck ich auf meine Uhr und finde KKT. Ok, jetzt entweder die Hand irgendwie lukrativ durchdrücken und ganz vorne landen oder aber in ein paar Stunden gibt es Wild an dunkler Burgundersoße.
Es gibt Wild.
Meine Familie freut sich. „Ausgeschieden? Macht doch nix. Schön, dass Du das geschafft hast.“ Nö, macht auch nix. Das ist halt Turnier, das hat sogar schon meine nicht-poker-spielende Sippe begriffen. Mein Lieblingsonkel Konrad freut sich über seinen Massagesessel mit Shiatsu-Funktion (den hatten wir schon vorher bestellt), meine Cousine Alexa wird explizit über die Sauna-Tätigkeit Ihrer Tochter befragt und ich kann endlich mal an einem Tisch sitzen ohne böse gucken zu müssen.
Der einzige, der von mir ein Min-Raise bekommt, ist der Kellner. Der Thater-Poker-Nachwuchs ist ungehalten. Die Chicken-Wings kommen nicht rechtzeitig zum Hauptgang und im Übrigen wo bleibt eigentlich der Schokoladen-Nachtisch?
Apropos Schokolade.
Ich wusste es doch, den Schweizer können wir gebrauchen.
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