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Cry me a river

Woran merkt man, dass bald ein Pokerturnier ansteht? Richtig: An den vielen bekannten Gesichtern, die so langsam alle hier den Weg ins Atlantis zur PCA finden.

1PCA_Tischtuch

Ab heute ist offizieller Anreisetag zur PokerStars Caribbean Adventure. Da das Wetter schlecht ist und man hier selbst im Januar auf den Bahamas keinen Glühwein ausschenkt entschließen wir uns für Indoor-Lobby-Sight-Seeing mit heißem Starbucks-Kaffee.

Wir treffen holländische Spieler mitsamt TV-Team, die mich fragen ob das Amsterdam-German-Dutch-Desaster schon im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Nö, bisschen Galgenfrist haben sie noch, das DSF hat es erst für Februar angekündigt.
Als wir da so rumsitzen und uns die Hände an den Kaffeebechern wärmen schlendert mit einmal ein junger Kerl langsam und lasziv  durch die voll besetzte Lobby. Er trägt Brusthaare (wahrscheinlich die eigenen), Bart (wahrscheinlich der eigene) und einen pinkfarbenen Bikini mit ausgestopftem Oberteil (unwahrscheinlich der eigene). Den kleinen Kindern unter 5 werden von besorgten Müttern die Augen zugehalten, die restliche Meute glotzt und schmunzelt. Ich kläre meine Eltern auf, dass der junge Mann sicherlich beim Chinese Poker verloren hat und nicht zahlen kann. Meine Mutter wird ein wenig blass und macht sich ab sofort bestimmt wieder Gedanken ob das das richtige Umfeld für ihre Tochter ist.

Nachdem die Peep-Show vorbei ist beschließen Jan & ich mal einen Abstecher in den Grand Ballroom zu machen. In 2 Tagen soll ja das Turnier mit ca. 1000 Teilnehmern anfangen und wir haben uns schon länger gefragt wie wohl das ganze Equipment hier her kommt. Schließlich sind wir auf einer Insel und der EPT-Truck wird wohl kaum von Prag nach Paradise Island fahren.

1PCA_Ballroom

Tut er auch nicht. Hier ist alles home-made. Alles, aber auch alles wird hier vor Ort  zusammengeschraubt. Paletten, Kräne, Tischelemente, Stühle. Einzig die Dealer werden wohl komplett geliefert. Entnervte Monteure, die vor Posteraufstellern schwitzen, die Beschreibung zum Zusammenbauen mal auf den Kopf halten und mal nicht, hysterisch lachende Kranfahrer, die die 3. Lampe kaputtmanövrieren und mittendrin PokerStars-Manager, die sich nur noch die Augen zuhalten.

1PCA_Tischmüll

Welcome to the Bahamas and have a nice day. Ich erhole mich derweil. Schließlich muss ich ja nicht alles zu meiner persönlichen Baustelle machen und überlasse alle einfach schweren Herzens ihrem Schicksal. Ich muss aber zugeben, als ich die Handhabung der Bedienungsanleitungen gesehen habe, juckt es mir kurz in den Fingern. Immerhin bin ich in einem Ingenieurs-Haushalt aufgewachsen und Meister im Zusammenbauen aller gängigen Ikea-Modelle.

Jan sieht es mir an und zieht mich noch im Ansatz weg. „Schatzi, lass das. Nicht Dein Problem.“

Ganze 5 Tage habe ich geschlafen, mindestens 10 Stunden pro Nacht, nur unterbrochen von Strandspaziergängen und rutschen.

Ja, rutschen. Jan kam auf die klasse Idee doch mal die hauseigene Rutsche hier auszuprobieren. Wir gucken auf den Atlantis-Stadtplan (ja, so groß ist es wirklich, es fahren nur keine Strassenbahnen) und sehen ein Gebäude eingezeichnet wo man in 3 Schwierigkeitsgraden rutschen kann. Man soll sich einen Gummi-Reifen aus dem Wasser schnappen und sich dann den Wegweisern nach zur Rutsche begeben.

1powertower

Wir angeln uns einen Doppelsitzer und besteigen einen Turm, so hoch wie die Notre Dame. Das heißt wir folgen einfach wie die Lemminge nur den ganzen Rutsch-Wütigen nach dem Motto „Wird schon stimmen“. Nachdem wir endlos mit allen anderen die vielen Treppen bestiegen haben und endlich oben ankommen, werden wir von merkwürdigen Geräuschen empfangen. Zuerst dachte ich es werden Schweine geschlachtet, sehe dann aber, dass Menschen ohne Gummireifen in einem dunklen Loch verschwinden. „Das ist die Easy-Rutsche“ höre ich. Mir wird komisch. Ich will weg. Aber dass ist dann so, als würde man auf den 5-Meter-Turm im Schwimmbad umdrehen. Geht gar nicht. Lieber sterben. Das tun alle anderen vor uns ja auch. Also sterben.

Aber wir haben ja den Gummiring und Jan ist bei mir. Wird schon. Unsere Schlange wird kürzer und als wir dran kommen wird unser Gummischlauch auf einer Art Laufband geparkt. Wir sollen uns setzten. Jan nach hinten, Katja nach vorne. Sehen tun wir immer noch nichts. Die Lady am Schalter sagt noch „Lift your butt“, drückt den Knopf und unser Schlauchboot setzt sich in Bewegung.

Ich sehe den Abgrund. Steil und endlos. Meinen Butt vergesse ich vor Schreck zu liften und rubbel mir das Bikinihöschen durch. Das ist in dem Moment allerdings meine kleinste Sorge. Meine Gedärme bleiben einfach ungefragt oben auf dem Laufband, der kümmerliche Rest ist auf der Rutsch-Strecke. Jan schreit, ich bin gelähmt. „Cry me a river“ bekommt eine ganz neue Bedeutung für mich. Als der schlimmste Teil vorbei ist schippern wir auf unserem Gummiboot durch den „Lazy River“ (Lazy: LOL), unterbrochen von Niagarafällen und mannshohen künstlichen Wellen. An so mancher Wasserkreuzung haben wir nur die Wahl zwischen „Links: River Rafting“ oder „Rechts: Power-Tower“.

Als Pokerspieler hätte ich es wissen müssen. Alles was mit River zu tun hat ist ungesund. Irgendwie kommt der immer überraschend falsch oder grad ungünstig oder ist manchmal einfach gar nicht zu vermeiden.

Inwieweit ich durch die „Lazy EPT Bahamas“ rutsche, welche Power-Tower-Abkürzungen ich unterwegs nehmen kann und ob ich am Ende noch das Bikinihöschen anhabe werden wir sehen.

Notfalls sitzt Jan vorne.

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