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Über Selbstbeherrschung und andere Unmöglichkeiten

Manchmal könnte ich, ehrlich.
Der Beagle macht was er will, das Schicksal sowieso und manchmal denke ich auf dem Schild an meinem Kopf steht nicht „Bitte fragen Sie PokerStars oder Ihren Arzt oder Apotheker“ sondern „Bitte fragen Sie sich selbst“.

Selbstreflektion und Selbstbeherrschung sind große Tugenden des Pokerspielers. Eigentlich rühme ich mich ja damit, genau diese Eigenschaften zu haben aber als Mensch ist man halt begrenzt in seinem Wesen und leider auch unbegrenzt in seinen Wünschen.

Mein Kopf spielt mir einen Streich.
Nach langer Zeit spiele ich mal wieder am Wochenende in der Esplanade die PLO Partie. Wie habe ich das vermisst. Bequemes Valet-Parking mit gleichzeitiger Hundebetreuung, super Essen aus dem Tarantella direkt an den Pokertisch, wenig Tax und die Zusammensetzung des Tisches ist nahezu ideal: 1-2 tighte ABC-Spieler, ahnungsloser Besuch aus Dubai plus wilde Regulars. Das ganze aufgelockert durch jede Menge Machismo. Die Action ist von Anfang an gut, es ist jede Menge Geld am Tisch welches auch hemmungslos auf die noch so kleinste Nano-Chance reingeschoben wird.

„Also wenn Du jetzt auch noch mit diesen Prozenten anfängst…alles Quatsch, die Karte muss halt aufgehen.“ Marten gibt mir einen Blick mit dem Zaunpfahl damit ich jetzt bloß keine Handdiskussion am Tisch anfange. Schließlich raist der Herr auch nicht, er erhöht. Raisen sei was anderes. Ich mache mein Pokerface und beherrsche mich noch gekonnt. Immerhin hatte er todesmutig mit einem gefloppten Paar 6 meinen Re-Raise von 1,7k ohne Zucken bezahlt.

Es geht auf und ab, der Tisch ist wie ein Schiff auf hoher See. Die Schwankungen im Stack sind in so einer Partie nicht von schlechten Eltern und zartbesaitete Menschen sind hier eher fehl am Platz. Wer allerdings Lust hat mal Beats zu erleben, die man noch seinen Enkeln erzählen kann, ist in dieser Partie goldrichtig. Ich spiele meistens ordentlich und bin definitiv nachweislich Beat-erprobt, so dass mich eigentlich nichts so leicht aus dem Konzept bringt. Das heißt, ich mache ordentliche Plays, ordentliche Raises, ordentliche Laydowns.

Bis auf eine Situation, wo ich es hätte besser wissen müssen. Nein, ich wusste es. Und dieser Gedanke und dieses Wissen macht es so tragisch. Ein Leck in meiner Selbstbeherrschung. Klein, aber fein.

Also was macht man, wenn nicht nur der Beagle sondern auch das innere Tier nachdrücklich an der Kette zerrt und uns Glauben und Wissen verwechseln lassen will?

Ich lasse mich in diesem Fall von meinem hässlichen haarigen Monster rumziehen. Erbarmungslos. Es zieht so stark an der Kette, dass ich ungebremst auf die Schnauze falle.
An diesem Abend bekomme ich 4 x Aces mit sehr guten Beikarten. Im Prinzip sind „blanke“ Asse beim PLO gerade Mal so viel wert wie der Dreck unter den Fingernägeln, besonders wenn man Out Of Position ist. Sie trotzdem nicht zu raisen ist allerdings grob fahrlässig. Sie spielen sich dann genauso beschissen wie im Holdem gegen mehrere Gegner.

Also ganze 3 x grüßt mich das Murmeltier und ich werfe die Asse auf dem Flop weg. Immer gegen denselben Spieler, immer dasselbe Szenario: Er callt nur meinen Preflop Raise (oder Re-Raise).  Jedesmal kommt der Flop dry aber jeweils mit King. Ich weiß, dass gerade dieser Spieler meine Action ausschließlich mit Kings bezahlt. Er spielt oft Shortstack-Strategie und wenn er ebenfalls Aces hätte würde er nochmals erhöhen und versuchen zu isolieren um vor dem Flop Heads-up möglichst all seine Jetons über die Linie zu bekommen. Die Keine-Kopfschmerzen-Mehr-Methode.

Es können also nur Kings mit entsprechenden Beikarten sein. Kombinationen wie 5/6/7/8 oder ähnliches sind bei ihm nahezu ausgeschlossen. Zweimal kommt es ohne mich zum Showdown und bin sehr zufrieden mit meinen Entscheidungen.

7

„Babe, I got you, Babe…“

Zum 4. Mal.
Ich muss mich kneifen und fange doch tatsächlich leider an zu überlegen. Aber was heißt schon überlegen? Mein Tier zerrt. Knurrt. Flüstert mir Schweinereien ins Ohr. Provoziert und hänselt mich. In der Stromanbieter-Werbung flüchtet so ein Artgenosse mit Kakteenstacheln am Hintern aus dem Haus, meins allerdings bleibt stark und höre mich „Call“ sagen.

„Wir tun nicht was wir wollen, sondern wir wollen, was wir tun.“

Der Neurophysiologen Benjamin Libet hat 1979 die Hirnströme von Versuchspersonen gemessen, die er aufgefordert hatte, nach einer willkürlichen Zeit, ganz nach Belieben, eine einfache Handbewegung zu machen und sich zugleich anhand einer Präzisionsuhr zu merken, wann sie den Entschluss dazu gefasst hatten. Erstaunlicherweise konnte Libet in den Hirnströmen ein eindeutiges Signal feststellen, das regelmäßig eine halbe Sekunde früher auftrat, als den Versuchspersonen ihr Entschluss bewusst geworden war.

Im Gehirn findet die Entscheidung für eine Handlung unbewusst statt. Sie wird erst nachträglich durch das Bewusstsein der handelnden Person gleichsam ratifiziert.

Also alles Quatsch mit den tollen Eigenschaften, Überlegungen, inneren Schweinehunden, Taktiken? Es gibt gar keinen freien Willen und keine Einflussnahme auf das eigene „Tun“?

Das Schicksal mischt die Karten und wir spielen.

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