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Nackte Tatsachen

„Bücher sind so antiquiert – man liest doch eh alles im Internet“ sagt Jan. Schade, ich hatte gerade überlegt mal ein etwas anderes Buch zum Thema Poker zu schreiben.

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Jetzt gibt es halt in abgespeckter Form eine kleine Artikelreihe in meinem Blog. Ich hoffe, dass meine Zeit reicht diese Content-Serie terminnah und ohne 2- monatige Unterbrechung fortzuführen. Bei Büchern ist das ein wenig einfacher: Man gibt das Manuskript ab, wenn man komplett fertig ist und kein Leser muss auf unbestimmte Zeit auf die Fortführung warten.

Aber im Grunde geht es hier auch nicht um Fortführungen oder gar Auflösungen wie bei einem Rätsel. Das ist ja das Schöne: Poker ist kein Rätsel bei dem es ein fixes Lösungsbuch gibt. Kein „auf Seite 36 steht wie ich Millionär werde“. Wer das sucht braucht ab hier schon nicht weiter zu lesen. Vielmehr müssen wir uns anstrengen und nach der eigenen Lösung suchen, der individuelle Rechenweg ist unterschiedlich. Das sind die schlechten Nachrichten. Die gute ist, es gibt garantiert keinen Punktabzug wenn man den goldenen Weg nicht einhält. Weil er nicht existiert.

In diesen Beiträgen soll es nicht um Technik oder theoretische Strategien beim Pokerspiel gehen, nicht darum, wie man einzelne Hände oder Turnierphasen wie genau jetzt am besten spielt. Das ist Feintuning und dafür haben wir ja unsere erstklassigen Strategen bei IntelliPoker.

Vielmehr soll es hier um das Finden von persönlichen Antworten für ein ganz persönliches Spiel gehen. Um die Entlarvung der eigenen Schwächen und das Entdecken der eigenen Stärken. Zum Warmwerden geht es in diesem Teil erst mal um:

Nackte Tatsachen

Täglich erreichen mich E-Mails mit Fragen zu gespielten Händen, eine Bitte um Beurteilung der eigenen Spielqualität, Tränennachrichten („Ich hab Asse verloren“) mit mindestens 10 Ausrufezeichen oder die immer wiederkehrende Frage ob man/ frau Profispieler werden soll und kann.
Individuelle Bewertungen aus der Ferne gepaart mit fehlenden Detailinformationen sind wenig zuverlässig, geradezu fast unmöglich. Außerdem maßt man sich Beurteilungen zu Handlungsweisen an, die einem eigentlich nicht zustehen.

Doch hinter all diesen Fragen, die mich täglich erreichen und viele zu beschäftigen scheinen, steht ein ganz klarer Konsens: „Warum gewinne ich nicht?“, alternativ „Warum gewinne ich nicht genug?“ oder „Wie gewinne ich mehr?“.
Um Antworten zu bekommen muss man den Dingen auf den Grund gehen und am besten fängt man damit an, das Unterste nach oben kehren. Wenn das Haus wackelt, kümmert man sich besser um das Fundament und tauscht nicht nur dieklirrenden Scheiben aus. Man muss versuchen zu verstehen mit was man es eigentlich zu tun hat und inwieweit man selbst in eine Sache involviert ist. Nur so hat man überhaupt die Chance eine genaue und wirkungsvolle Fehlererkennung und somit -behebung zu betreiben. Ein Arzt z.B. kann natürlich immer wieder Salbe auf eine Wunde schmieren und hoffen, dass diese heilt (…Raise Deine Asse gefälligst ordentlich, dann passiert das auch nicht…). Besser ist es jedoch, zu diagnostizieren was das eigentlich genau ist und woher es kommt um dann die Ursache beseitigen zu können.

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Lasst uns deswegen erst einmal damit anfangen, darüber nachzudenken was Poker eigentlich wirklich ist und warum wir es überhaupt spielen. Alleine auf diese 2 harmlos klingenden Fragen gibt es vielfältige Antworten und genauso viele unterschiedliche Meinungen. Schon an diesem Punkt gibt es keine Übereinstimmung auf doch so simpel wirkende Themen. Die Sache scheint auf den zweiten Blick doch irgendwie komplexer und vor allem viel komplizierter als man denkt.

Natürlich, Poker ist ein Kartenspiel und es geht darum, zu gewinnen. Spaß soll es machen und bestenfalls lukrativ sein. Das ist die Oberfläche, mit der einige gut zurechtkommen. Aber irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass das nicht alles sein kann. Woher kommen diese vielen „Heul-Threads“ in Foren, warum können viele das Verlieren nicht abstellen, warum spielen viele „unter ihrer Form“, laufen heiß oder warum sind viele unsicher in ihrem Handeln? Es wird hierbei immer wieder deutlich, dass es sich nicht nur um ein rein „technisches Problem“ handeln kann. Poker ist ein sehr komplexer Prozess, bei dem auch die Psyche eine tragende Rolle spielt. Hierbei meine ich nicht ob man einen tollen Bluff durchziehen kann, sondern vielmehr, dass man immer wieder überprüfen muss, ob der eigene Kopf mitmacht und man den Dingen mental gewachsen ist, denen man am Pokertisch gegenübersteht. Dazu gehören Themen wie „eigene Erwartungshaltung“ und die persönliche Zielsetzung beim Pokern. Oftmals hilft es schon wenn einem die nackten Tatsachen noch mal deutlich vor Augen geführt werden.

Ok, let´s face it. Mit was genau haben wir es beim Pokerspiel eigentlich zu tun?
Poker in der Reinform ist ein Ich-Spiel, ein Menschen-Spiel, ein Spiel für Egoisten und zur Staffage gibt es ein paar Karten. Das hört sich so kurz und trocken gesprochen nicht sonderlich nett an. Ist es auch nicht.
Poker wird gegen andere Menschen gespielt und nicht gegen „Das Haus“, gegen Maschinen oder andere abstrakte Dinge. „Ich habe mit ihm meinen Flush verloren“ hab ich, ehrlich gesagt, noch nie gehört. Man kann zwar miteinander singen, malen oder tapezieren, aber nicht Poker spielen. Das impliziert folglich, dass wenn ich gewinne, ein anderer Mensch verliert. Umgekehrt natürlich genauso. Allein diese Tatsache birgt von Haus aus etwas sehr Persönliches. Es geht ja dabei nicht immer „nur“ um Geld. Man kann am Pokertisch eine Menge verlieren und ich meine dabei nicht die Armbanduhr oder den Ferrari-Schlüssel. Es ist und bleibt ein Wettkampf und jeder kämpft gegen jeden. Das sollte man als erstes verstehen und sich dessen immer bewusst sein, sobald man seinen Hintern an einen Pokertisch setzt.

Als Pokerspieler bediene ich mich zudem auch noch Handlungsweisen, die meinen ureigenen Vorteil zum Zweck haben. Meine persönlichen Interessen verfolge ich ohne Rücksicht auf die Belange anderer. Ich setze mich als Pokerspieler mit anderen Menschen an einen Tisch und versuche Ihnen vorsätzlich das Geld wegzunehmen.

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„Bah! Das ist ekelhaft. Ich mache sowas nicht, ich spiele Poker ja nur zum Spaß.“ Aha, interessant. Zum Spaß. Natürlich soll Poker Spaß machen aber es macht halt am meisten Spaß, wenn man dabei gewinnt. Mir kann keiner erzählen, dass es auch nur einen einzigen Pokerspieler auf der Welt gibt, dem es Spaß macht mit minus vom Tisch aufzustehen. Es sei denn, das Rahmenprogramm in Form von gutem Essen oder 1-2 Stripperinnen vom Doll-House lassen den Fokus ein wenig verrutschen.

Für Außenstehende klingt das alles ein wenig dramatisch und es scheint, dass Pokerspieler bei oberflächlicher Betrachtung durchweg unehrenhafte Menschen sind. Dem ist in der Regel ganz und gar nicht so. Pokerspieler sind nur ehrlich. Sie sind ehrlich zu sich selbst und sie wissen um ihre Stärken und Schwächen und wie sie diese am geschicktesten einbringen oder verstecken können. Wer aber sich selbst gegenüber die Augen verschließt und nicht in der Lage ist ehrlich zu sein, wird nie seine Stärken und Schwächen erkennen und somit auch nicht wirkungsvoll einsetzen können.

Es ist eine Tatsache, dass das Pokerspiel Charaktereigenschaften aus einem herausholt, die man vielleicht bei sich selber oder anderen nie für möglich gehalten hätte. Die Betonung liegt dabei auf „herausholen“. Ergo bedeutet das, dass das Potenzial bereits vorhanden ist. Vielleicht versteckt, unterdrückt, nicht wahrgenommen, nie gebraucht bisher.

Betrachtet man Egoismus z. B. im weitesten Sinne, wird und muss jedes menschliche Verhalten als egoistisch eingestuft werden, denn jedem bewussten Tun liegt eine individuelle Abwägung des Eigennutzens der Tat zugrunde. Jeder von uns verfügt über diesen schützenden Selbsterhaltungs- und Überlebenstrieb, der spätestens dann sehr deutlich zum Vorschein kommt, wenn es „ums Eingemachte“ geht. Es sei denn, man ist ein religiöser Märtyrer, hat zu viel Geld oder ist suizidgefährdet. Die ganze Palette der menschlichen Eigenschaften wird am Pokertisch so unaufhaltsam sichtbar gemacht wie die Zaubertinte mit Zitrone aus den Kindertagen.

Ein Pokerspieler, der nicht egoistisch denkt oder handelt führt das Spiel und sich selbst ad absurdum. Oder noch deutlicher: Er ist keiner.

Dabei ist es eigentlich weder negativ noch gesellschaftlich untragbar z.B. offen einen gesunden Egoismus zu pflegen. Es ist menschlich. Es steckt in uns. Es ist vielleicht gerade nur nicht modern. Modern wird sowas nur in Extremsituationen, wie z.B. Staatskrisen, wenn der geschickteste Verhandler, man könnte auch sagen Pokerspieler, ausgesandt wird, um das bestmöglichste Ergebnis beim störrischen Gegner oder Feind zu erzielen. Nun ja, man könnte auch etwas milder sein und lapidar sagen: Poker spiegelt das Leben wieder oder aber: Das Spiel erlaubt uns die Besinnung und Bedienung unserer Ur-Instinkte.

Poker ist einfach all das, was in uns ist aber lässt jeden von uns mit sich selbst allein zurück.

Und da haben wir schon das erste Problem: Man ist allein am Pokertisch. Mich sich, den anderen, der Situation. Keine Zuschauerfrage, kein Telefonanruf bei Mama, kein „kann ich Dir das eventuell morgen sagen?“.

…Fortsetzung folgt

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