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Manolo Blahnik und der Haifischzahn

„Qualität setzt sich durch.“ Sagt Mama.
Meine Mutter hat Recht, wie immer. Ich werde den Teufel tun ihr zu widersprechen. Ihrem „Kauf was Ordentliches!“ folge ich stramm salutierend seit meiner Kindheit. Zielsicher greife ich zum Teuersten, ab und zu zum Leidwesen unserer Bankroll. Ob es nun der teure Flushdraw (Piiiiiiiik) mit Strassenchance ist oder ein paar sündhaft schöne Schuhe. Selbst in vornehmen Restaurants, wo die Damen Speisekarten ohne Preise bekommen, suche ich mir mit geschlossenen Augen das Hübscheste aus.

Hübsch war auch diesmal wieder die Turnierwoche in Baden bei Wien. Edgar Struchly vom Casino Austria hatte eine sehr gut organisierte Veranstaltung hingelegt, die Location ist 1. Sahne, das Wetter – sofern man als Pokerspieler das Tageslicht sieht – traumhaft und die Poker-Action unbegrenzt. Allerdings wurde nicht mehr wie in den vergangenen Jahren 24h, also rund um die Uhr gespielt, sondern um 6 Uhr in der früh wurden die Spiele bis mittags um 12 unterbrochen. So hatte auch das Reinigungspersonal mal ne Chance ihre Arbeit zu tun und musste sich nicht, wie sonst, mit dem obligatorischen „Füsse hoch“ durchkämpfen.

Jan und ich hatten schon vor Wochen das Hotel „Herzoghof“, genau gegenüber dem Casino gelegen, gebucht. Das war eine sehr weise Entscheidung, denn alles war restlos ausverkauft. Nur noch Betten mit Gemeinschaftsklo auf dem Flur waren für die Spätangereisten in diesem idyllischen Kurort verfügbar. Der Redakteur der Frauenzeitschrift „Brigitte“, der mich während dieser Reise begleitete war auch in einer kleineren Pension untergebracht. Frühstücksgäste – älteres Semster, Kurgäste – beschwerten sich über nächtliches Treiben auf den Fluren. „Das sind heimkommende Pokerspieler“ so der Consierge zu seiner Entschuldigung. Kurgäste: „Mit SO ETWAS möchten wir nichts zu tun haben“. Ok, Pokerspieler müssen also doch noch etwas an ihrem Image feilen.

herzoghofHerzoghof in Baden

Ich tue mein bestes.

Also Freitag war unser Anreisetag. Die Marketingmannschaft von PokerStars hatte am Nachmittag zu einer Besprechung gebeten. Im Moment ist die Online-Pokerwelt etwas in Bewegung geraten, da Präsident Bush ein Gesetz zur Unterschrift vorlag, welches den amerikanischen Staatsbürgern untersagen würde im Internet an Glückspielen teilzunehmen oder Wetten abzugeben. Den Betreibern der Onlinecasinos würde es ebenfalls verboten sein Wetten von amerikanischen Staatsbürgern anzunehmen. Dieses Gesetzt wurde von am 13.10. unterschieben und ist somit gültig. Na ja, es war auf jeden Fall dringender Gesprächsbedarf da. Abends gab PokerStars im Herzoghof eine Weclome-Party für alle Onlinequalifikanten und PokerStars-Spieler des EPT´s.

casinobadenCasino Baden, Bild beim Sex von Bandit gemopst. Danke!

Mein Starttag war der Sonntag. Genug Zeit also bis dahin sich im Casino an den Cashgametischen rumzutreiben, Bekannte zu treffen, das Buffet in Augenschein zu nehmen und die angereiste Presse zu bedienen. Abends wurde an der Bar gesessen, gefachsimpelt, % ausgetauscht und was man sonst so macht als Pokerspieler wenn man „on tour“ ist und kein Zuhause hat.

handdiscussionStrategiebesprechung mit Champagner

Sonntag bin ich dann rechtzeitig aufgestanden und hab natürlich sofort jemandem zum Frühstück getroffen: Jin Cailin , einen brandgefährlichen Pokerspieler, der an den großen Omahapartien teilnimmt, wo die Stapel der 500EUR-Scheine höher als die Kaffeerassen sind. Wir schnacken in einer Mischung aus österreichischem China-Englisch über alles Mögliche und wie wir uns das erstemal vor 7 Jahren getroffen haben.

janasiaJan und Jin Cailin

Nach Rüherei und Kaffee gehe ich rüber ins Casino und ziehe meine Platzkarte. Der Tisch ist ganz ok, 3 Spieler kenne ich. Der erste ist Martin Wendt aus Dänemark, der zweite ist ein Spieler mit dem ich an mind. 3 WSOP Events dieses Jahr gesessen habe und der andere ist ebenfalls aus Hamburg: Klaus Hausmann aka Bandit.

klausmartin

Das Spiel geht pünktlich los. In meinem Flight sind 170 Spieler, von denen nach 15 Stunden nur noch 45 übrig sein sollten. Vom Vortag waren 38 in den „Day2“ gekommen. Im Gegensatz zu Barclona und London habe ich es nicht in den 2. Tag geschafft. Ich zitiere mal Rolf Slotboom, der mich kurz nach dem Ausscheiden auf dem Flur getroffen hat:

Back from the dinner break, I ran into Katja Thater, who has just been eliminated. She said: „Rolf, I am still in a good mood, because I think I played well. I also still had 8,000 in chips with just a 400 big blind, so I still had enough chips to work with. But then I am up againsty one of those young Scandinavians, you know the type, with hair that goes in all directions, and more importantly: They call you with everything. I just hate that, haha!“

OK, so Katja is out, and so is fellow German George Danzer. He said: „Yes, I am not just out – I also just received an SMS from my girlfriend that says it’s about time we have a chat. Ah, well – I guess it’s not my lucky day!“

Also Georg, der in meinem Flight ebenfalls spielte, erwischte es noch schlimmer: Pünktlich mit dem Ausscheiden kam noch ne SMS von seiner -jetztigen- Exfreundin. „Wir müssen mal reden“. Das kann man gut gebrauchen während eines Pokerturniers.

Einen schönen Move kann ich noch erzählen, den ich gegen Martin Wendt gemacht habe: Martin raist 3x den BB UTG. Zwei Caller auf dem Weg zu mir, ich sitze auf dem SmallBlind. Ich zahle ebenfalls mit 77. Der Flop kommt  J 6 4 rainbow. Ich checke, Martin spielt deutlich über Pot, die beiden Caller werfen weg und ich überlege. Ich schätze ihn auf AK ein und denke: „Du Sack hast doch auf dem Schrott-Flop nix getroffen…“. Ich erhöhe nochmal deutlich und mache meinen schönen „Ich bin blond“-Gesichtsausdruck. Leider kennt Martin mich  -in diesem Fall Gott-sei-Dank- und schätzt mich ZU gut ein. Er hadert mit sich bestimmt 3 Minuten: Kopfhörer ab und wieder auf, Chips vor und zurück, nochmal zählen, immer wieder „Oh Katja“. Dann zeigt er auf die 6 im Flop und sagt:“ You hit a set?!“. Ich lüge natürlich frech und sag: „Ach Martin, you know me too good. What else could a check-raise mean?“. Das alte Spiel: Ich denke er denkt dass ich denke dass er hat???!!!
Er grummelt, zeigt POCKET QUEENS und wirft weg. Upps. Ich verguck mich aber trag das noch so gekonnt vor, dass ich das Ding trotzdem zieh. Schicker Pot in meine Richtung. Wie man sieht hab ich gekämpft soweit das möglich war, bin dann aber leider wie die meisten ausgeschieden.

janboJan bei den Baden open

Am Montag begannen dann die „Baden open“, ein EUR 2000 Event, der paralell zum EPT stattfand. Ca. 200 Teilnehmer hatten sich registriert. Das Feld bestand aus fast allen Spielern, die bereits an den vorherigen Tagen ausgeschieden waren. Also dicke Konkurrenz.
Kurz bevor das Turnier beginnt stöckel ich noch mal über das Parkett im oberen Flur und breche mir einen meiner 10 cm-Absätze ab. Worst case! Nicht nur, dass die Manolo Blahniks jetzt im Eimer sind, viel schlimmer noch, dass ich zum bevorstehenden Fototermin keine passenden schwarzen Schuhe mehr habe. Patent wie ich so bin habe ich umgehend barfuss den nächstgelegenen Schuster überfallen mit den Worten: „Operation am offenen Herzen!“. Der Schuster schüttelt allerdings sein weises österreichisches Haupt und verweigert die Notaufnahme. Patient tot.

An Tagen, die so beginnen, muss man sofort zurück ins Bett.

Mit neuen Schuhen bestückt hatte ich trotzdem erstmal einen tollen Tisch erwischt: 4 wilde Skandinavier, 2 stille Engländer gekrönt von einem Russen mit zuviel Geld. Der Tisch war ganz am Ende des Raumes in der Nähe zur Bar und zum Buffet. Ich verpasse die erste Hand und meinen ersten Blind weil ich noch Pressebesuch hatte („Nochmal schnell Fotos machen“), finde mich dann aber ein, mache es mir gemütlich und beginne von anfang an den Tisch zu terrorisieren: Ich check-raise was das Zeug hält, erhöhe fast jede Hand mit beliebigen Karten und nehme den Wickingern gleich mal die Fellkeule ab. Unglücklicherweise wird der Tisch nach ca. 1 Stunde aufgelöst.

pundhPaul Testud

Ich wandere mit meinen Chips an einen neuen Tisch und enddecke doch tatsächlich noch eine weibliche Mitspielerin. Endlich mal ein Beobachtungsobjekt wie Männer mit Frauen umgehen ohne ständig selber involviert zu sein. Leider macht sie ihre Sache nicht so gut, die Showdowns die sie auch noch bekommt, sind zum Haareraufen. Egal.
Ich sitze auf Platz 1, ein nicht sehr geliebter Platz von mir weil ich Sichtprobleme auf die anderen Spieler habe. Auf dem letzten Platz sitzt ein Haifisch: Paul Testud. Ich sage desshalb Haifisch, weil er nur mit seinem Gebiss sicherlich kleine Kinder erschrecken kann. Ein Franzose wie er im Buche steht. Ein Ignorant der englischen Sprache und mathematischer Wahrscheinlichkeiten. Er brüllt auch „fifftiiiii  fifftiiii“ selbst bei AA vs 63 off. Dabei spielt er seit 30 Jahren Poker. Ok, also Paul mit ondulierten grauen Locken und schlecht geputzen großen Zähnen zu meiner Rechten.

Ich finde eine Situation: Ich sitze im Big Blind. 1 Limper aus mittlerer Position, Christian Deuss (DU bist sowieso schuld! LOL). Paul Testud sitz im SB und callt. Ich gucke in meine Pocketkarten und sehe 9 9. Christian spielt ausschliesslich gute Karten, er lässt auch JJ z.B so durchlaufen, Paul spielt eigentlich alles und das nicht nur im Blind. Bunte Mischung. Ich entscheide mich für „check“ und will den Flop sehen. Der kommt wie folgt: 6 7 8 rainbow. Tischlein Deck Dich!

unk2Christian Deuss

Paul spielt wie vorhergesehen sofort saftig an. Ich schätze ihn, soweit man das kann, auf ein kleines getroffenes Paar ein, eventuell mit gutem Kicker. Christian hat nix auf so einem Board.
Mit einem Overpair und Strasse oben/unten werfe ich diese Hand in der Konstellation in diesem Leben nicht mehr weg und reraise mehr als deutlich. Christian wirft weg wie erwartet und Paul re-reraist noch einmal. Ich gehe all-in und Paul zahlt. Die Chips fliegen auf den Tisch. Showdown: Paul zeigt 5 7 off. Wie angenommen hat er ein mittleres Paar getroffen, scheiss Kicker aber dafür auch Strasse möglich, aber kleiner als ich. Besser kanns nicht sein. Ich habe mehr als 75% die Hand zu gewinnen und was will man als Pokerspieler mehr?
Da aber irgendwie immer was passieren muss, gerade dann wenn auch die Manolos den Geist aufgeben und man doch wieder ins Bett müsste, kommt der Turn mit der totesten Karte im Deck: die 9. Mir macht sie einen hübschen Drilling und Paul die Strasse. Der River liefert natürlich kein Full oder bessere Strasse sondern es kommt ein nutzloses Ass. Kruzifix noch mal.

3Die 3 von der Tankstelle: Der Hendon Mob

Jan kämpft noch und ich schaue bei ihm vorbei. Rund um ihn sind die Hendon Mob´s. Heisser Tisch mit Ram Vaswani auf Platz eins, Ross Boatman auf der letzen Box. Jan sitz an der Kopfseite des Tisches, zu seiner Rechten der Däne Jan Pedersen. Stefan Bartels, der „Brigitte“-Redakteur, der die ganze Zeit an meiner Seite war ist auch noch dabei. Ich glaube ihm gefällts. Seien wir doch mal ehrlich: Wem würde das nicht gefallen? Es ist die spannendste Sache der Welt, mein Herz rast schon vom Zusehen wenn Jan eine Hand spielt und ich nicht weiss was er hat. Also Stefan und ich feuern Jan an, stehen ihm bei, bringen Essen und tun alles, damit der sich wohlfühlt. Ich klöne BTW ein bisschen rum mit Ross und Jan Pedersen, die ja jeweils links und rechts sitzen.
Das Turnier schreitet fort. Am Nachbartisch geht Barney Boatman mit AK vs TT all-in und scheidet aus. Kurze Zeit später bringt sich Ram Vaswani an Jans Tisch um. Ross Boatman folgt ein paar Minuten später. Ram:“ Now the tourney is ganster-free“. Innerhalb 30 min alle Hendon Mob´s raus. Der erste Tag vom NLHE Baden open geht zu ende. Jan ist noch dabei und hat Chips!

Im Nachbarraum wird auch noch gekämpft. Die restlichen EPT-Teilnehmer spielen noch ihren 2. Tag zu ende. Immer noch dabei, als einziger aus unserer Truppe: Thang aka Evelyn bei PokerStars. Er hat bereits bei der WCCOP 2 Finaltische geschafft und war 3x im Geld.

thang1Thang Duc

Wir sind etwas geschafft, nehmen noch einen Drink an der Bar und unterhalten uns noch ein Weilchen. Vicky Coren und ich trauern noch ausgiebig den Manolos hinterher. Sie ist auch ausgeschieden, ihr ist es egal
, denn sie hat ja das EPT in London gewonnen und ist um 500.000 Brittische Pfund reicher. Cooles Mädchen, coole Leistung.
Morgen gehts weiter für Jan und auch für Tang, der den 3. Tag des EPT erreicht hat.

vickykatjaMit Vicky Coren in der Bar

Am Dienstag wurde es dann spannend: Thang spielte seinen 3. Tag im EPT und war schon auf sicher zwölfter. Jan spielte die Baden open mit noch 27 verbliebenen Teilnehmern. „Im Geld“ sollten 20 sein, also noch ein heisser Ritt um den Bubble. Niemand will kurz vor dem Geld ausscheiden, diese Phase in Turnieren dauert teilweise dermaßen lange, dass man beim Zugucken fast irre wird. Da wird getanzt, gewartet, gefoldet. Wieviele sind noch drin? Kann ich JETZT diese Hand spielen oder warte ich lieber? Stefan, immer noch dabei, und ich tranken zum Frühstück schon Champagner und aßen frische Erdbeeren. Schliesslich muss man was für seinen Kreislauf tun. Jan, gewohnt cool, machte seine Sache gut. Als alle im Geld waren öffnete sich das Spiel deutlich und folgende Situation trug sich zu:

Jan geht UTG all-in. Oh Gott. Stefan und ich springen auf. Es gibt einen Caller. Showdown: Jan hat 5 5 und der Caller AQ. Preflop sagen wir 50/50. Flop kommt Q 5 x. Uhhhh, Set. Die Menge scharrt am Tisch. So ungefähr 92% hat Jan jetzt. Der Turn A. Das Scharren wird lauter und die Prozentzahlen sinken. River A. Jan wird 15.
So kauft man in Österreich Karten. Aber es wird besser. Nicht, dass wir noch mehr Favorit sein könnten wenn das Geld drin ist, sondern dass wir das erstemal ohne Minus aus Baden heimkommen. Die Schlange hat zumindest angefangen sich zu häuten.

die3vondertankstelleMit Willi Tann und Georg Danzer

Turnierleben ist nun mal hart. Man muss nicht nur unglaubliches Durchhaltevermögen haben, gepaart mit gutem Spiel und Nerven wie breite Nudeln sondern auch die entsprechende Verbindung zu Fortuna. Wenn man auch nur eines dieser Dinge nicht hat wirds schwierig. Willi Tann hat im Moment auch einen Hund überfahren. Er lässt mich in seine Karten schauen beim Spiel wenn ich mal bei ihm sitze damit ich mich beim Omaha verbessern kann. Was der für Hände verliert ist auch unglaublich. Aber man muss sich im Klaren sein, dass die meisten ja ausscheiden aus einem Turnier, sonst gäbs ja keinen Sieger. Pragmatisch gesagt, wenn das Kind nicht auf die Welt will sagt man immer: „Die wenigsten bleiben drin“.

Aber dringeblieben ist Thang. Im warmen Bauch von Mutter EPT.

tangoThang hat den Fisch an der Angel

Man war das spannend! Wir haben geschwitzt, gejubelt und Daumen gedrückt. Und sogar unsere Cashgameplätze aufgegeben. Minh, der 50% an Thang hat grinste am breitesten. Glückwunsch my dear! Thang ist der erste Deutsche, der ein EPT gewinnen konnte. Da der Rummel natürlich sofort losging nachdem es entschieden war und Thang wenig englisch spricht hab ich noch auf sein Bitten hin ein wenig übersetzt fürs TV und die restliche Presse. Wir freuen uns sehr für ihn.

thangkatja

Also Baden ging zu Ende. Die Schlange beginnt das Häuten.

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