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WSOP 2007 Wer zum Teufel hat eigentlich das Gatter aufgelassen?

Zwei Tage im Hotelzimmer faulenzen,  im „Alex“ oder „Wing Lei“ die Speisekarte hoch-und runter essen, den Roomservice für eine mitternächtliche Bestellung schokoglasierter Erdbeeren testen und endlich mal wieder Zeit für die Evakuierung der Seele.

Schoki

Für den Verdienst dieses Müßiggangs war allerdings die Schwerstarbeit eines tunesischen Touristen-Verleihpferdes vorausgegangen. Steinekloppen im Uralgebirge wäre weniger anstrengend gewesen. Jan und ich haben in den letzten 3 Wochen nonstop jeden Tag Karten umgedreht, sehr wenig geschlafen, Pressearbeit & Support geleistet, Finaltische absolviert und uns mit Harrah´s in irgendeiner Form auseinandergesetzt. „Katja Deutsch?“. „No, my name is Katja Thater“. „That is not correct. Your Passport says Katja Deutsch”. So und so ähnlich gingen die endlosen Standard-Diskussionen bei jedem Cash-out den wir hatten. Und man muss betonen, dass diese Gespräche & Formalien zum Teil nach 15 Stunden Poker stattfinden. Mitten in der Nacht, bzw. früh am Morgen.

Seit die WSOP so groß geworden ist geht hier so ziemlich alles verloren: Papiere, geleistete Unterschriften, die Würde des Menschen und auch die finale Herrschaft über die Klimaanlage. Im good old Binion´s Horseshoe hatte man wenigstens noch richtig „Las Vegas“ für sein Fee. Die Dealer waren so authentisch wie die Perücke von Dolly Parton, zu Essen gab es Abenteuerliches wie „Pastrami“, Sammy Farha durfte am Tisch noch rauchen und ein Spielertausch beim Floormanager ging nach Zustecken einer $-Note auch noch ohne großes Aufsehen.

Wenn man sich nach Las Vegas aufmachte und dieses seinen Nachbarn im Nebensatz zu „Ihr gießt die Blumen, ja?“ erzählte, erwartete man auch genau das.

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Selbst noch vor ein wenigen Jahren war das Binion´s Horseshoe der Inbegriff von Poker. Das war gemütlich. Das war Poker wie im wilden Westen. Das war Anarchie. Die nicht bibelfesten Taxifahrer verlangten noch Share für keine-Umwege-fahren aber dafür nahm das Casino nur das Minimum aus dem Preispool.

Zum Benny-Binion´s Rundum-Sorglos-Paket gehörten selbstverständlich auch die schreiend bunte und versiffte Einrichtung mit all den herrlichen Originalen der Hall of Fame, die krumm und schief an den Wänden hingen; die dunklen Flure, in denen man sich ständig verlief und der Geruch von echtem Pokerschweiß klebte nachhaltig in dem aufgeribbelten Teppich mit den Millionen von Fußangeln.

Aber das Horseshoe ist davon galoppiert.

Jetzt ist das Rio der aktuelle Ort der WSOP. Seit 2005 strömen nun die hörigen Pilger zum „Convention Center. Side entrance, please. “

Das Rio ist kalt, sauber und hat übersichtliche Nebenwirkungen. Dafür aber noch ungeklärte Langzeitschäden. Samy Farha darf nur noch unter Vegas´ herrlicher Mittagssonne rauchen, Harrah´s verscherbelt uns ungefragt ins Internet, die spannenden Finaltische sind in einem Extrabereich ohne Hautkontakt abgeschirmt und es wird sogar über Nacht der Fußboden gereinigt.

Selbst das Essen ist zu ertragen. Hätten wir nicht Originale wie Tony G. oder Mike Matusow am Start oder die kleinen schönen Back-Stage Schmuddelgeschichten, die sich zwischen Pavillion & Toilettenwagen abspielen, wäre die WSOP heute im Vergleich zur Binion´s ziemlich farblos. Eine gut strukturierte und sehr bürokratische Massenabfertigung, die auch wahlweise im sterilen Singapur stattfinden könnte. Sogar die „freie“ Presse wird nach Nord-Korea-Prinzip reglementiert. Damit nichts schief läuft, selbstverständlich.

Am Donnerstag fliegen wir wieder hin. Ins Rio.
„Convention Center. Side entrance, please.“

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