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Fifty-Fifty, Sweetheart

Nach Gänsebraten, Fondue unterschiedlichster Varianten, Schmuddelwetter und Jahresabschluss-Stress freuen Jan und ich uns immer auf die erholsamsten und schönsten Tage des Jahres: PCA. Die Poker Carribean Adventure ist, ähnlich wie Las Vegas, ein ganz besonderer Zeitraum. Hier gibt es Sonne, Stand und Meer, Poker bis der Insel-Arzt kommt, keine Arbeit schmeckt so richtig nach Arbeit und die Cocktails sind mit Schirmchen.

Und um das besonders gut auszunutzen reisen wir schon direkt nach Weihnachten an. Diesmal nicht die Eltern im Gepäck, sondern die Kinder. Glücklicherweise bekommen wir einen Flug von London, der direkt nach Nassau, Bahamas, geht. Das umständliche Einreisen in die USA bleibt uns somit erspart. Wer das Procedere kennt, ist froh es nicht machen zu müssen. Den Amerikanern ist es auch ganz gleich, ob man in ihrem Land bleibt oder nur durchreist. Alle müssen, selbst für nur 30 min Aufenthalt als Zwischenstopp, die Koffer durch den Zoll tragen, Formulare ohne Schreibfehler ausfüllen, sich durchleuchten lassen, Feuerzeuge entsorgen, Pupillen scannen, Fingerabdrücke abgeben und auf die Bibel schwören. Jedes Mal machen Jan und ich den Coinflip für die 10k-Pro-Person-Barschaft-Grenze. Ein zusätzliches Formular, eine Extra-Schlange, noch mehr uniformierte Grenzbeamte die komische Fragen stellen und die Unterwäsche durchwühlen. „Fifty-Fifty, das die uns nicht raus winken?“

In der Immigration Halle des Nassauer Flughafens spielt eine ganz andere Musik. Soul Reggae mit zwei schrägen, leicht angeheiterten Musikern. Eine Art Bob Marley Band zur Einstimmung auf die kommenden Tage. Das finde ich nicht nur ausgesprochen zuvorkommend, sondern auch sehr clever, denn der Unmut auf die bevorstehenden 2 Stunden in der Warteschlange hat schon so manchen zum Durchdrehen veranlasst. Ähnlich gutes Marketing habe ich nur bei einem schwedischen Möbelhaus gesehen, die angesichts einer bevorstehenden Katastrophe im Weihnachtsausverkauf den Wartenden an der Kasse Glühwein und Kekse gereicht haben. Sicherlich wesentlich unproblematischer, als nach Ladenschluss die Billy-Leichen entsorgen zu müssen.

Wir kommen entspannt und in guter Stimmung durch die Einreise um festzustellen, dass ein Koffer fehlt. So weit nichts Neues. Ich bin Experte im Koffer-Verlieren, sogar auf 1-Stunden-Flügen ohne Umsteigen. Normalerweise ist bei mir Koffer-finden auf dem Gepäckband fifty-fifty, Coinfip eben. Und ich verziehe keine Miene, wenn er nicht kommt. Diesmal allerding ist es Jans Tasche, die nach mehrstündigem Nachforschen einen kleinen Umweg über den Globus macht. Aber Männer-Koffer sind eh nicht so wichtig, es ist sowieso nix drin und alles was ein Kerl braucht hat er in der Hosentasche oder man kann es im Hotelkiosk kaufen. Auf jeden Fall schließe ich überrascht und dankbar meine 35kg vom Gepäckband in die Arme.

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Das Hotel Atlantis ist unverändert imposant. Nach einem schönen ersten Tag am Meer, ausschlafen und sich freuen, dass kein Telefon hier funktioniert, spielen wir am Sonntag noch ein wenig in der Hotellobby online bei PokerStars. Welch angenehme Uhrzeiten! Von Europa oder Deutschland aus ist das Sunday Million für uns meistens zu spät und ich spiele es daher nur sehr selten. Der Montag lauert meistens schon mit all seinen Tücken und mit einem vollen Terminkalender vor der Brust macht es einfach wenig Sinn sich die Nacht um die Ohren zu hauen. Im schlimmsten Fall scheidet man um 3h morgens ohne oder mit sehr wenig Geld aus und bekommt dann nicht mal genügend Schlaf für die nächste Woche. Doppelter Beat sozusagen. Aber die PCA ist für uns Bahama-Mama-Zeit, die Terminkalender sind zu Hause und unsere Verpflichtungen beschränken sich auf das Frühstücks-Omelette vor dem Strandbesuch. Jan und ich sitzen uns in der Hotellobby an einem kleinen Tisch mit den Laptops gegenüber und diese Anmutung erinnert mich doch leider schon wieder ans Büro. Irgendwie ist der Kopf doch noch nicht ganz mitgekommen. Ich bestelle Weißwein und versuche den Pre-Sylvester-Party-Geräuschpegel in der Lobby zu ignorieren, der zwischen Presslufthammer und Hochhaussprengung liegt.

Gott sei Dank, denn als ich das einzige Mal bei einem leider unvermeidlichen Showdown hinten liege, kreische ich eine Karte rein, die prompt ausgeliefert wird. Der Presslufthammer neben mir verhindert, dass die gesamte Lobby sich nach mir umdreht.
So geht das also. Ganz neues Gefühl.
Normalerweise kreische ich nicht und normalerweise bin ich ziemlich schlecht im Suck-out verteilen. Menschen, die am Pokertisch oder anderswo schreien sind mir geradezu unheimlich. Aber ich muss gestehen, es verhindert das Wachstum eines Magengeschwüres erheblich.

Jan scheidet nach ein paar Stunden ziemlich blöd aus, d.h. er verliert unglücklich eine Schlüsselhand und ist nach dem nächsten Spiel draußen. Er bleibt, rücksichtvoll, mir gegenüber sitzen. Ich kann es nicht leiden, jemanden in meinem Rücken zu haben und Jan ganz besonders nicht. So kurios es klingt, es ist eher ein Kompliment an ihn. Jan hat mich zum Pokern gebracht. Er war derjenige, der mir die ersten Schritte beigebracht hat; derjenige, der  mich unterstützt und mir Vertrauen geschenkt hat, mein Mentor eben. Sobald er neben oder schlimmer noch, hinter mir sitzt, schaltet mein Kopf -aus mir unerfindlichen Gründen- ab. Ich glaube er ist der einzige Mensch auf Erden, der es fertigkriegt mich aus dem Rhythmus zu bringen.

Im Rhythmus allerdings halten mich die vielen netten Daumendrücker aus dem Chat. Vielen Dank noch Mal für die Unterstützung, das lange Durchhalten und dass Ihr Euch mit mir die Nacht um die Ohren gehauen habt.

Nach und nach treffen dann aber doch schon ein paar Pokerspieler im Atlantis ein. Im Fahrstuhl stehe ich neben einem Pärchen, das nach dem Öffnen der Tür auf der Etage den richtigen Weg sucht. Sie: „Left or right? “. Er: “It´s fifty-fifty. Coinflip, Sweetheart. “

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Die nächsten Tage sind trotz ein paar Wolken schön und wir machen ausschließlich Dinge nach Lust und Laune. Es gibt noch keine Pokeraction hier, das Casino lockt ausschließlich mit den altbekannten Grusel-Spielen und es ist manchmal eine kleine Aufgabe meinen Kerl bei Stimmung zu halten. Gut, dass die 35kg Gepäck außer Bikinis auch noch Bücher enthalten.

Seit gestern allerdings klappern endlich die Chips im Imperial Ballroom. Nach der PokerStars-Welcome Party auf dem Royal Deck gehen wir noch hin, um ein wenig die Karten anglühen zu lassen. Jan hatte sich vorher noch schnell in das Super-Satelitte eingekauft, ich komme zu spät fürs Late-Register und muss passen. Diese Super-Satelittes sind klasse. Für Leute, die bereits ein Ticket haben winken 10k in bar. Jan scheidet jedoch aus und spielt stattdessen ein wenig NLHE 25-50 in einer fancy Runde. Zuschauern stehen teilweise die Haare zu Berge falls mal ein Showdown zu erhaschen ist. Hier wird nichts verschenkt und schon gar nicht nach Weihnachten.

Heute geht der Mainevent los. Bisher sind an Tag 1A 660 Spieler gestartet. Falls die Zahl gehalten werden sollte ist es wieder mal ein Rekord für PokerStars. Jan und ich spielen morgen.

It´s fifty-fifty, Sweetheart.

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